2022 - 2024
IN-KNOW (Interfacing Knowledge)
Mit dem BMBF-Verbundprojekt IN-KNOW wird die Entwicklung und Gestaltung einer Assistenzanwendung für Produktionsmitarbeiter:innen in zwei Partnerbetrieben aus dem produzierenden Gewerbe begleitet. In der transdisziplinären Kooperation mit Softwareentwicklung und Design wird der Prozess beforscht und mitgestaltet.
Dabei konzentriert sich die Forschung auf die Bedeutung von Interfaces bei Transfer und Anwendung verschiedener Arten und Weisen zu lernen und zu wissen in mittelständischen Produktionsbetrieben, um den Wandel von (industriellen) Arbeitsrealitäten in einer sich digitalisierenden Gesellschaft zu betrachten. Medien- und techniksoziologische Forschung steht am Ausgangspunkt eines zirkulären Prozesses kollaborativer Technikentwicklung, der gleichzeitig medientheoretische, aber auch soziale Implikationen in die Anwendungsentwicklung einbringt. Wichtiges Element ist die anwendungsbezogene Aufbereitung sozialwissenschaftlicher Konzepte für Partner aus Softwareentwicklung, User Experience Design sowie Produktion und Montage.
In enger Zusammenarbeit werden zunächst Gestalt, Transfer und Einsatz von (Erfahrungs-)Wissen, aber auch der Nutzungskontext der späteren digitalen Anwendung sowie die Anforderungen ihrer potenziellen Nutzer:innen untersucht. Ein besonderes Merkmal der interdisziplinären Medientechnologieforschung ist die gemeinsame Methodenauswahl und -anwendung im Austausch mit Praktiker:innen. Nach einer ersten explorativen Phase werden bestimmte Fälle einer tiefergehenden soziologischen Analyse unterworfen. Parallel erfolgt die gemeinsame Konzeption und Teilnahme an Beteiligungsformaten mit Anwender:innen. Hier werden verschiedene Implikationen identifiziert, eingebracht und diskutiert. Die Ergebnisse gehen in eine sozialwissenschaftliche Analyse hinsichtlich medientheoretischer sowie arbeitswissenschaftlicher Aspekte ein. Die Anwendung wird ebenfalls einer Technikfolgenabschätzung (TA) unterzogen, um organisatorische, ethische und soziale Faktoren und Bedingungen des Betriebs zu erörtern und zu diskutieren.
Das Projekt wird als Teil der Förderlinie „Innovative Arbeitswelten im Mittelstand“ vom BMBF gefördert und läuft über zwei Jahre.
2021 - 2025
DFG-Projekt „Posthumane Entdifferenzierung? Die technologische Optimierung menschlicher Körper"
Das Projekt widmet sich den Implikationen technischer Selbstoptimierung für die Humandifferenzierung. Es untersucht jene Phänomene, die in bio- und technikethischen Debatten in sowohl affirmativer wie auch kritischer Weise als „Human Enhancement“ diskutiert werden. Neben dem Einsatz von Medikamenten für körperliche oder geistige Leistungssteigerung zählen hierunter gentechnische Eingriffe oder der Einsatz von Implantaten, Wearables oder Exoskeletten zur Erlangung neuer Fähigkeiten. Statt ein spezifisches Verständnis von Enhancement zum Ausgangspunkt der Analyse zu machen, setzt das Projekt an der Frage an, wie und unter welchen Bedingungen bestimmte Praktiken und Diskurse etwas als Enhancement hervorbringen und welche Humandifferenzierungen damit einhergehen. Untersucht werden vier Kontexte und die damit verbundenen Sinnschichten, in denen Modifikationen des Humanen als Enhancement artikuliert werden: 1) Praktiken experimenteller Selbst-Modifikationen einzelner Individuen, 2) kommerzielle Artefakte zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten, die als Entwürfe, Prototypen oder Produkte in Erscheinung treten, 3) populärwissenschaftliche Diskurse zur technisierten Zukunft des Menschen und 4) Darstellungen technisch veränderter Menschen in der Science-Fiction. Für die humandifferenzierenden Implikationen von Enhancement in den vier Untersuchungsfeldern stehen drei Fragen im Mittelpunkt. Erstens will das Projekt erkunden, wie durch technische Modifikationen zwischenmenschliche Differenzierungen rekonfiguriert werden – etwa, wenn Alter als Krankheit umgedeutet oder Leistungssteigerung als technologisches Designproblem gefasst wird. Das Projekt fragt zweitens, wie die Außengrenze des Humanen in Bezug auf optimierende Modifikationen verhandelt wird, Menschliches mit Übermenschlichem kontrastiert und die Differenz von Mensch und Maschine verwischt wird. Drittens geht das Projekt davon aus, dass durch Praktiken und Diskurse des Enhancement implizite oder explizite Bilder des zukünftigen Menschen vergegenwärtigt werden, welcher dem aktuellen Menschen gegenübergestellt werden. Die Verhandlungen von Human Enhancement können damit als Schauplatz der Vergegenwärtigung zukünftiger Differenzierungen und Entdifferenzierungen des Humanen betrachtet werden, in denen zugleich das gegenwärtige Menschsein im Spiegel des Nicht-, Trans- und Posthumanen konturiert und spezifiziert wird.
Das Projekt ist Teil des DFG Sonderforschungsbereichs 1482 "Humandifferenzierung".
DFG-Projekt "Responsive (Kultur-)Wissenschaftskommunikation: Vermittlung, Dialog und Resonanzbeobachtung"
Ko-Antragsteller: Dr. Tobias Boll und Prof. Dr. Matthias Krings
Humandifferenzierung ist eine alltägliche Praxis. Ihre Ergebnisse erscheinen in öffentlichen Diskursen vor allem als gegebene, unhinterfragte Eigenschaften von Menschen und dienen als Aufhänger für identitäre Zuschreibungen. Demgegenüber gehört es zu den Zielen des SFB, zur Sensibilisierung für Differenzierungspraktiken von Menschen und sozialen Gruppen beizutragen und auf diese Weise das öffentliche Verständnis für ihre konkurrierenden Alternativen und subtilen Verschränkungen zu schärfen. Über seine theoretische und empirische Arbeit hinaus will der SFB auch kulturwissenschaftliche Wissensvermittlung in und Kommunikation mit außerwissenschaftlichen Öffentlichkeiten leisten. Die zentrale Aufgabe des Teilprojekts für Öffentlichkeitsarbeit ist die Entwicklung und Durchführung von Formaten einer responsiven Wissenschaftskommunikation. Dafür setzt das TP in der ersten Förderperiode schwerpunktmäßig journalistische Vermittlungsformen ein, die es in ein geschlossenes Gesamtkonzept einer bidirektionalen Wissenschaftskommunikation integriert. Das TP begleitet erstens Forschungsprozesse und arbeitet deren Ergebnisse auf, um sie öffentlich kommunizierbar zu machen. Zweitens etabliert das TP Formate für die bidirektionale Kommunikation mit der außerwissenschaftlichen Öffentlickeit. Drittens beobachtet und analysiert es die Öffentlichkeitswirkungen des SFB und führt sie einer internen Resonanzanalyse zu. Damit trägt es sowohl zur Forschung wie zur reflexiven Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit des SFB bei.
Das Projekt ist Teil des DFG Sonderforschungsbereichs 1482 "Humandifferenzierung".
2021 - 2023
DFG-Projekt „De- und Restabilisierung von Evidenz in der Coronakrise“
Das Projekt will untersuchen, wie sich Produktion, Aushandlung und Kommunikation biomedizinischer Evidenz unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie vollziehen. Die rasche Verbreitung von SARS-CoV-2 und der damit verbundene Handlungs- und Entscheidungsdruck erhöhen den Bedarf nach gesichertem, vertrauenswürdigem Wissen: Daten, Informationen und Meinungen zirkulieren in beschleunigtem Tempo; ihre Qualitätsprüfung ist erschwert. Sich widersprechende oder ihre Meinung ändernde Expert*innen, oft korrigierte Zahlen, Statistiken und Empfehlungen nähren den Boden für Skepsis gegenüber autorisierten Evidenzquellen und erleichtern die Akzeptanz von vermeintlich wissenschaftlichen Behauptungen. Ausgehend von diesen Beobachtungen verfolgt das Projekt die These, dass mit der aktuellen Krisensituation sozio-epistemische Veränderungen einhergehen, die sich auf die Evidenzpraktiken niederschlagen. In der Aushandlung von wissenschaftlicher Evidenz zu COVID-19 werden zum einen die Grenzen von interner Wissenschaftskommunikation (also dem Austausch von Wissenschaftler*innen untereinander) und externer Wissenschaftskommunikation (also der Vermittlung des Wissens an die breitere Öffentlichkeit) brüchig und durchlässig. Wir fragen vor diesem Hintergrund nach der De- und Restabilisierung von Evidenz in dieser spezifischen Situation hoher wechselseitiger Resonanz von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Der Mainzer Projektstrang untersucht die Rolle sozialer Medien als Diskursraum für Evidenzkonflikte. Dahinter steht die Überlegung, dass diese medialen Räume Aushandlungsorte für Evidenz darstellen, die für das zeitgenössische Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit eine spezifische Relevanz haben: denn auf sozialen Medien relativieren sich die Grenzen von Wissenschaft und Öffentlichkeit bzw. inner- und außerwissenschaftlicher Öffentlichkeit.
Das Projekt ist Teil der DFG Forschungsgruppe 2448 "Evidenzpraktiken in Wissenschaft, Medizin, Technik und Gesellschaft".
Die Evidenzkultur der Citizen Science. Normierung, Evaluierung und Kontrolle partizipativer Forschung. Teilprojekt 6 der DFG Forschergruppe “Evidenzpraktiken in Wissenschaft, Medizin, Technik und Gesellschaft”
[2. Phase]
Das soziologische Teilprojekt hat sich in seiner ersten Phase mit Evidenzpraktiken in Citizen Science-
Projekten befasst, die Laiinnen und Laien in den Forschungsprozess integrieren. Qualitätssicherung
ist dabei ein neuralgischer Punkt, um solche Projekte wissenschaftlich und gesellschaftlich
zu legitimieren. In der zweiten Phase nimmt das Teilprojekt nun Prozesse der Institutionalisierung
von Citizen Science in den Blick. Betrachtet wird, wie Citizen Science standardisiert
und evaluiert wird, um widerstreitenden epistemischen, politischen sowie zivilgesellschaftlichen
Anforderungen gerecht zu werden. Vermutet werden ambivalente Effekte der Bemühungen, die
Wissenschaftlichkeit der Bürgerwissenschaft auf einer projektübergreifenden Ebene institutionell
abzusichern und damit Evidenz unter Bedingungen sozialer Öffnung zu garantieren.
https://www.evidenzpraktiken-dfg.tum.de/tp6-die-evidenzkultur-der-citizen-science/
2018 - 2021
Prototyp. Zukunft materiell entwerfen. Prototypen als Kommunikationsmedien des Neuen (BMBF Verbundprojekt)
Artefakte verweisen nicht nur auf eine Gegenwart. In sie sind auch mögliche Zukünfte eingeschrieben. Sie können etwa Erwartungen zukünftigen Heils, technologischer Machbarkeit, wirtschaftlicher Prosperität, nachhaltiger Praxis oder ästhetischer Innovation zum Ausdruck bringen. Angesichts dieser vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen Erwartungen an die Zukunft erscheint es außerordentlich vielversprechend, den Spuren des Möglichen in ihrer materiellen Konkretion nachzugehen. Einen besonders attraktiven Zugriff auf diese materiell eingeschriebene und performative Futurität bietet das Studium von Prototypen. In Prototypen geben DesignerInnen, KünstlerInnen und IngenieurInnen einer möglichen Zukunft materielle Gestalt. Prototypen sind inhärent unfertige Artefakte, die erwartete Möglichkeiten als erfahrbare Wirklichkeiten darstellen. Prototypen sind somit temporal paradox: Sie repräsentieren ein zukünftig zu realisierendes Objekt, mit dem sie selbst, als jeweils gegenwärtig vorliegendes Objekt, nicht identisch sind. Wie kann diese Paradoxie praktisch entfaltet werden? Wie gelingt die Kommunikation zukünftiger Materialität durch gegenwärtige Materialität? Wie werden Zukünfte in Objekte eingeschrieben und gelesen? Was sind die spezifischen kommunikativen Leistungen von Prototypen, die über eine text- oder bildförmige Vermittlung von Zukunft hinausgehen? Kurzum: Wie kommunizieren Prototypen Zukunft? Dem soll das Verbundvorhaben nachgehen und dabei die Leitidee der Ausschreibung offensiv aufgreifen: Wir wollen prototypische Objekte als aktive Kommunikationsmedien eigenen Ranges dechiffrieren.Neben einer wissenschaftlichen Verwertung fließen die Resultate des Projekts in eine Ausstellung des Deutschen Museums Nürnberg ein, welche prototypische Entwürfe sichtbar machen und Brücken zwischen vergangenen und gegenwärtigen Zukünften schlagen soll.
https://prototyping-futures.org/
2017 - 2020
Evidenz in der Citizen Science. Zwischen nicht-zertifizierter Expertise, professioneller Kontrolle und Technisierung. Teilprojekt 6 der DFG Forschergruppe “Evidenzpraktiken in Wissenschaft, Medizin, Technik und Gesellschaft”
[1. Phase]
Unter dem Stichwort Citizen Science etabliert sich gegenwärtig ein sozioepistemisches Arrangement, das auf der Partizipation von Laien im Forschungsprozess basiert. Während die bisherige Forschung zur Thematik eher auf normative Fragen (etwa bzgl. der Gestaltung der Partizipation) fokussierte, stellt das geplante Projekt epistemische Probleme und ihre soziale Bearbeitung in den Mittelpunkt der Analyse. Gefragt wird, wie Evidenzpraktiken in der Citizen Science funktionieren – angesichts einer Beteiligung von Akteuren und Akteurinnen, die nicht zu zertifizierten wissenschaftlichen Professionsgemeinschaften gehören. (Wie) kann Wissen auch dann als glaubwürdig und handlungsorientierend erachtet werden, wenn der soziale Kreis der Beteiligten an der Forschung den berufswissenschaftlichen Kontext überschreitet? Der Stand der Forschung legt es nahe, insbesondere drei Typen von Evidenzpraktiken in den Blick zu nehmen, mit denen die spezifischen sozioepistemischen Fragilitäten von Citizen Science bearbeitet werden, nämlich 1) die Attribution von nicht-zertifizierter Expertise, 2) die professionelle Kontrolle durch zertifizierte Experten und 3) die Technisierung der Wissensproduktion, welche Defizite in der Expertise abfedert.
http://www.evidenzpraktiken-dfg.tum.de/teilprojekt-6
2017 - 2019
Vorgeführter Originalitätsverdacht. Eine kleine Soziologie des Prototyps im Zeitalter seiner Vergesellschaftung (VolkswagenStiftung)
Wohl kaum ein technisches Objekt symbolisiert den zeitgenössischen Umgang mit dem Neuen so markant wie der Prototyp. Prototypen sind Inszenierungen von Originalitätsverdacht – wie der Begriff der Originalität selbst, verweist auch der Begriff des Prototyps heute kaum mehr auf die Vergangenheit (auf eine ursprüngliche Form), sondern auf eine in die Zukunft gerichtete Innovation. Der Prototyp verspricht eine Zukunft, die er gegenwärtig nicht einlösen kann. Gleichwohl – so versucht uns der Prototyp zu versichern – ist das künftig Neue und Originelle kein leeres Versprechen, sondern etwas, das sich bereits jetzt vorführen lässt. Prototypen sind materielle Inszenierung einer gegenwärtig prüfbaren technologischen Zukunft. Im Kontrast zur langen Vernachlässigung dieses Gegenstands (sowohl in der Innovationsforschung als auch in den technikreflexiven Geistes- und Sozialwissenschaften) lässt sich gegenwärtig eine zunehmende akademische Aufmerksamkeit für das inhärent unfertige Objekt des Prototyps ausmachen. Diese Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf die Bedeutung von Prototypen im Innovationsprozess. Das Projekt schlägt hier einen anderen Weg ein: Es erarbeitet eine Kultur- und Gesellschaftsdiagnose des Prototyps. Dazu wird eine zweigesichtige These entfaltet: nämlich die einer Vergesellschaftung des Prototyps einerseits und einer Prototypisierung der Gesellschaft andererseits.
http://portal.volkswagenstiftung.de/search/projectDetails.do?ref=93025